- admin - 21.01.11 08:19
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Über alle erfassten und ausgewerteten Gebäudetypen sind die Nutzungskosten, im Gegensatz zum Berichtszeitraum des Reports 2009, zum Teil deutlich gestiegen. So betrug der Anstieg der Nutzungskosten für die Instandhaltung (Bürogebäude) gegenüber 2009 mehr als 40%. Uwe Rotermund hält zwei Gründe für denkbar: "Dass wieder mehr in die Substanz der Gebäude investiert wird oder dass ein deutlicher Preisanstieg erfolgt ist." Die Grundtendenz werde auch von anderen Benchmarking-Pools bestätigt.
Seit Anfang 2010 hat das Rotermund-Team die Daten bei mehreren hundert Teilnehmern abgefragt. In die Datenerhebung für den vorliegenden Bericht gingen mehr als 2.800 Gebäude mit einer Bruttogrundfläche von mehr als 10,5 Mio. m2 ein. Seit Beginn des FM-Benchmarkings im Jahr 2003 umfasst die Datenbank der Ostwestfalen mehr als 35 Mio. m². Dies dürfte einer der größten Datenbestände in Deutschland für Nutzungskosten auf Vollkostenbasis sein.
Nutzungskosten können 90% der Lebenszykluskosten ausmachen
Dass bei zukünftigen Gebäudeplanungen und Projektentwicklungen die Nutzungs- und Lebenszykluskosten deutlich stärker beachtet werden müssen, belegen die ausgewerteten Daten sehr eindrucksvoll. Die Nutzungskosten für viele Gebäudetypen liegen pro Jahr deutlich über 100 Euro/m² BGF. Mit Abstand die teuersten Gebäude sind hierbei die Krankenhäuser/Kliniken mit jährlich 236 Euro/m² BGF. (In der linken Grafik sind die Nutzungskosten für unterschiedliche Gebäudetypen aufgeführt. Bei den Gebäudetypen Banken, Schulen, Sporthallen konnten nicht die gesamten Nutzungskosten ausgewertet werden, da Angaben zum kaufmännischen Gebäudemanagement und zum nutzerbezogenen infrastrukturellen Gebäudemanagement nicht von allen Teilnehmern geliefert wurden.)
"Leider werden, auch unter Fachleuten, in Deutschland die Lebenszykluskosten auf die Kostenart Energiekosten reduziert", bemängelt Rotermund. Dieser Ansatz sei schon deshalb "nicht richtig, da die Energiekosten bei einer Nutzungsdauer von 40 Jahren höchstens 10% bis 15% der Lebenszykluskosten betragen". Die Lebenszykluskosten-Fachleute geben einen weiteren Hinweis: In vielen Bauprojekten sei feststellbar, dass nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Anforderungen der EnEV die Energiekosten optimiert werden. Gleichzeitig führe dieser Ansatz jedoch oftmals zu einer höheren Technisierung der Gebäude. Die Folge: Der Technisierungsgrad hat selbstverständlich direkte, oft lineare Auswirkungen auf die Instandhaltungskosten und zusätzlich auf die späteren Sanierungskosten.
"Wir müssen unsere Gebäude bei Neuerrichtungen und Sanierungen so optimieren, dass ein Minimum an Energie- und Instandhaltungskosten bei einer gleichzeitig möglichst langen technischen Nutzungsdauer erreicht wird. Dies bedeutet, dass alle Bauteile und Komponenten einer kritischen Begutachtung unterzogen werden müssen", so Rotermund. Einen kleinen Seitenhieb hat der FH-Professor auch noch parat: "Eine oftmals anzutreffende einfache Multiplikation von Kennzahlen mit Flächenangaben führt noch lange zu keiner korrekten Lebenszykluskostenberechnung."
Dass die Nutzungskosten für die Lebenszykluskosten von entscheidender Bedeutung sind, zeigen die aktuellen Auswertungen 2010/2011. Die Datenauswerter haben auf der Basis der Kennzahlen 2010 für verschiedene Gebäudetypen die zu erwartenden Lebenszykluskosten ermittelt. Basis der Berechnungen waren eine jährliche Preissteigerungsrate von 1,8%, ein Diskontierungszinssatz von 3,5% und eine jeweils gebäudespezifische Nutzungsdauer, die den Nutzungsdauern der WertR, Anlage 7 entnommen wurde.
Individuelle Sanierungskosten taugen nicht fürs Benchmarking
Heraus kam (rechte Grafik), dass bei Bürogebäuden die Nutzungskosten sage und schreibe 89,9% der Lebenszykluskosten ausmachen, bei Industriegebäuden gar 90,1%, bei Krankenhäusern/Kliniken 88,9%. Geringere Nutzungskostenanteile weisen Banken, Schulen und Sporthallen auf, allerdings ist zu berücksichtigen, dass, wie bereits angemerkt, in diesen Fällen nicht immer alle Nutzungskostenarten enthalten sind.
Die 90%-Marke wird nochmals deutlich überschritten, wenn, wie in LZK-Berechnungen üblich, zusätzlich noch die Sanierungskosten hinzugenommen werden. Im FM Benchmarking Bericht 2010/2011 wurden die Sanierungskosten nicht erfasst, da diese projektbedingt sehr stark schwanken, nicht periodisch anfallen und somit nicht im Zuge eines Benchmarkings vergleichbar sind.
Die Sanierungskosten können in der Praxis einen großen Kostenbeitrag ausmachen, obwohl die Sanierungen der Hauptgewerke erst ab dem 15. bis 20. Nutzungsjahr erforderlich sind und die Kosten stark abgezinst werden. Gleichwohl gilt für Rotermund: "Dennoch müssen bei Neubauten und Bestandsgebäuden zur Variantenentscheidung die Sanierungskosten in die LZK-Berechnung integriert werden."
Mit der Gefma-Richtlinie 220 wurde kürzlich ein Leitfaden zur Berechnung der Lebenszykluskosten herausgegeben (IZ 48/10). Rotermund merkt dazu an, dass die Berechnung der LKZ unter anderem anhand von Detailkennzahlen erfolge. Diese Detailkennzahlen unterlägen jährlichen und regionalen Schwankungen, somit müssten die in der Richtlinie enthaltenen Basisdaten stets aktualisiert werden. "Da der FM Benchmarking Bericht gleichlautend als Gefma-Publikation 950 erscheint, wurden 2010 unter dem Dach der Gefma erstmalig ausgewählte Detailkennzahlen im FM Benchmarking Bericht erfasst." Die Detailkennzahlen wurden u.a. mit Unterstützung namhafter FM- Dienstleister wie HSG Zander, Famis, RGM und Wisag ermittelt. Eine Folge davon: "Somit handelt es sich bei den Kosten um Marktpreise, die per Angebot von den beteiligten FM-Dienstleistern abgerufen werden können."
Grüne Gebäude sind nicht unbedingt teure Gebäude
Erstmals wurden von dem Benchmarking-Team unter dem Motto "fmbenchmarking goes green" unter Nachhaltigkeitsaspekten zertifizierte Gebäude näher untersucht. Besonders spannend sei die Frage gewesen, ob die zertifizierten Gebäude hinsichtlich ihrer Lebenszykluskosten besser abschneiden als nicht zertifizierte Gebäude.
Die Antwort lautet: "Grundsätzlich kann diese Aussage bestätigt werden. Die zertifizierten Gebäude nehmen beim Primärenergiebedarf oft eine vordere Position ein. Interessant ist auch, dass nicht - wie oft befürchtet - zertifizierte Gebäude die in der Errichtung teureren Gebäude sein müssen." Verwiesen wird aber auch darauf: Es zeige sich, dass eine Gebäudezertifizierung nicht zwangsläufig ein Garant für ein kostenoptimiertes Gebäude sein muss. Konkreter: "Einige der teilnehmenden Gebäude offenbaren ein Potenzial ,nach oben' und könnten in mehreren Kostenarten optimiert werden." Die Herausgeber des FM Benchmarking Berichts wollen dies nicht als negatives Ergebnis oder als Aussage contra Zertifizierung gewertet sehen - "ganz im Gegenteil".
"Die Gebäudezertifizierungen sind sehr komplex und berücksichtigen eine Vielzahl von Prüfkriterien. Niemand kann erwarten, dass wir bereits in den ersten Jahren zu 100% optimierte Systeme haben." Die jetzigen Zertifizierungen, insbesondere die der DGNB und die BNB-Zertifizierung (Bewertungssystem Nachhaltige Bundesbauten des BMVBS), gingen bereits sehr gut auf Aspekte der Nutzungskosten ein. Rotermund: "Für die Folgejahre wird eine weitere Präzisierung und Weiterentwicklung erfolgen."
Der FM Benchmarking Bericht wird sich auch 2011 deutlich weiterentwickeln. Im Zuge einer neuen Kooperation wird sich die hiesige Berufsorganisation RealFM ab diesem Jahr am FM-Benchmarking beteiligen und ihren Mitgliedern die Vorzüge einer Datenerhebung und -auswertung anbieten. Mit der DGNB ist ebenfalls eine Kooperation ab 2011 geplant. Der Kooperationsvertrag wird noch in diesem Monat unterzeichnet. Das Rotermund'sche FM-Benchmarking-Projekt versteht sich seit der Gründung als verbandsoffener Pool. Durch die neuen Kooperationen werde die Zahl der Teilnehmer nochmals steigen, die auszuwertenden Gebäudeflächen würden größer und die Ergebnisse genauer, heißt es in Höxter. (ae)
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Vollständiger Artikel:
http://www.immobilien-zeitung.de/103709/nutzungskosten-bis-zu-90-lebenszykluskosten