2011-06 : Condition Monitoring drahtlos

Systeme für das Condition Monitoring sollen im Idealfall Störungen erkennen, bevor es zum Maschinenstillstand kommt. Bisher wurde diese Art der Sensorik allerdings aus Kostengründen meist nur bei sehr hochwertigen Antrieben eingesetzt. Dies soll sich mit der Verfügbarkeit preiswerter, batterieloser Funklösungen ändern, weil nun der Aufwand für solche Condition-Monitoring-Systeme deutlich sinkt. Als Anwendungsbereich bietet sich insbesondere die Nachrüstung bei Ausrüstungen an, deren Stillstandskosten im Falle einen Maschinencrashs erheblich sein würden.

Im öffentlich geförderten Verbundprojekt „Energieautarkes Condition Monitoring System“, abgekürzt ECoMoS, wird das Anwendungsfeld drahtloser Funksensorik auf das Condition Monitoring von Industrieanlagen ausgeweitet. „Drahtlose Sensornetzwerke eröffnen durch verteilte Datenerfassung und Kommunikation völlig neue Möglichkeiten in der Messtechnik und bieten die Chance, diese in den kommenden Jahren zu revolutionieren“, meint dazu Dr. Michael Niedermayer vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) in Berlin.
Auf dem Gelände des ehemaligen Gaskombinats Schwarze Pumpe zwischen Cottbus und Dresden, wo früher Braunkohle veredelt wurde, läuft seit April 2005 die Papierproduktion auf vollen Touren. 170 Mio. Euro wurden zum Bau der Papierfabrik Spremberg investiert. Mit einer Kapazität von 330 000  t Rohpapier pro Jahr kann Wellpappe aus 100 Prozent Altpapier erstellt werden. Dabei benötigt die Herstellung einer 1 000 m langen und 5,4  m breiten Papierbahn lediglich eine Minute. „Nur eine Stunde Ausfallzeit würde 5 000 Euro kosten“, informiert Olaf Franke, Leiter Elektro/MSR-Technik der Spremberg Rieger GmbH & Co. KG.
Um außerplanmäßige Stillstandszeiten fast vollständig zu vermeiden, wurde jetzt mit der Installation und dem Test eines drahtlosen Sensornetzwerkes zur Überwachung der Anlage begonnen. An der 10 m langen Papiermaschine sollen in der finale Ausbaustufe über 600 Sensoren die Anlage im Stundentakt prüfen. Sobald sie Schadensmuster erkennen, wird der Austausch von Komponenten während der planmäßigen Wartung veranlasst.
Da dabei Funktechnologie eingesetzt wird, entfallen erhebliche Material- und Installationskosten für Kupferdraht und Kabelkanäle. Damit dürfte sich die Investition in recht kurzer Zeit amortisieren.
Das Konzept der Funksensoren zum Condition Monitoring basiert auf einer Zustandsüberwachung von Maschinen durch Messung und Analyse von Schwingungen und Temperaturen. Mit Hilfe sehr rauscharmen Beschleunigungssensoren und eines digitalen Signalprozessors werden spezielle Hüllkurvenspektren berechnet. Anhand der Veränderungen von Amplituden charakteristischer Spektralanteile lassen sich spezifische Fehlerquellen zu identifizieren. So wird es möglich, beispielsweise Lagerschäden bis zu 3 Monate vorherzusagen.
Über einen Funksender und -empfänger werden die Sensorknoten konfiguriert. Sie senden dann regelmäßig den Maschinenzustand an eine bis zu 50m entfernte Basisstation. Bei Entdeckung eines Schadensmusters ist jeder Sensorknoten in der Lage, die Rohdaten über die Basisstation an eine Leitstelle zu funken. Damit können Experten bei gravierenden Fehlern die Kennlinien prüfen, bevor in kritischen Fällen kostenintensive Maßnahmen zur Schadensbeseitigung festgelegt werden. Oftmals dürfte es dann reichen, im nächsten oder übernächsten Wartungsintervall ein geschädigtes Lager auszutauschen.
Über die optionale Ankopplung der Basisstationen per Internet kann die Maschinendiagnose auch von erfahrenen, externen Dienstleistern oder vom Anlagenhersteller vorgenommen werden. Der Hersteller wird so in die Lage versetzt, die Zuverlässigkeit seinen Produkte deutlich besser einzuschätzen. Es zeigt sich, bei welchen Komponenten das Konstruktionsdesign nachgebessert werden sollte und wo sich Kosten einsparen lassen, ohne dabei die Zuverlässigkeit zu beeinträchtigen.
Die beachtlichen Fortschritte in der Mikroelektronik und der Mikrosystemtechnik erlauben es heute, energieautarke Funksensoren zu moderaten Kosten herzustellen. Neben präziser Sensorik, einer leistungsfähigen Datenverarbeitung und der Funkanbindung bildet die Energieversorgung bei der Entwicklung wartungsfreier Funksensorknoten einen besonders wichtigen Schwerpunkt im Hardware-Design.

Bei Verwendung besonders leistungsarmer Elektronikkomponenten in Verbindung mit einem optimierten Power-Management lässt sich die Betriebsdauer von Batterien teilweise auf 10 bis 15 Jahre steigern.
Allerdings gibt es gerade im Industrieumfeld erhebliche Vorbehalte gegenüber batteriebetriebener Funksensorik. Die Anwender bevorzugen Lösungen mit Energiewandlern. Während jedoch Solarzellen in den meisten Industrieumgebungen aufgrund von erheblicher Staubentwicklung nicht geeignet sind, bieten Thermogeneratoren und Vibrationswandler eine gute Möglichkeit, die Energie aus der Umgebung zu gewinnen. Der Batteriewechsel entfällt, und es steigt die Betriebssicherheit.
Die Installation ist mittlerweile sehr komfortabel gestaltet: Wird ein Sensorknoten an einer Maschine angebracht und aktiviert, kann er existierende Funknetzwerke erkennen und sich anmelden. Über die Funk-Basisstationen werden die Sensorknoten an die jeweiligen  Betriebsparameter, etwa die Häufigkeit der Messintervalle, angepasst. Falls neue Schadensmuster oder veränderte Kommunikationsprotokolle eine Programmierung der Funksensorknoten erforderlich machen, ist die Aktualisierung der Software per Funk ebenfalls möglich. So muss der Anwender nicht mehr jeden einzelnen Sensorknoten per Kabel umprogrammieren, was gerade bei schwer zugänglichen Stellen sehr aufwendig sein kann. Je nach Anforderungsprofil und Einsatzumgebung liegen die Materialkosten für einen Sensorknoten zwischen zehn bis 200 Euro. Die Kosten für ein komplettes Sensornetzwerk hängen jedoch im Wesentlichen davon ab, welche Stückzahlen erreichbar sind. Bei Nischenanwendungen dominieren bei solchen Systemen die Entwicklungskosten.
Für einen breiten Anwendungsbereich können jedoch solche Funksensorknoten zum Condition Monitoring vieler Maschinen und Anlagen in größeren Stückzahlen gefertigt werden. Design- und Softwarekosten machen dann nur noch einen kleinen Anteil der Gesamtkosten aus. Die Hebelwirkung, welche sich aus der Verfügbarkeit solcher Systeme ergibt, lässt sich im Moment nur erahnen. Sie reicht von neuen Geschäftsfeldern für den Anlagenbau mit erweiterten Dienstleistungskonzepten bis hin zum verbesserten Verständnis technischer Systeme.

Kontakt:
Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration
Tel.: 030 46403185
Email: michael.niedermayer@izm.fraunhofer.de
www.izm.fraunhofer.de